Dr.-Ernst-Blumenberg-Platz

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Gedenkstätte
Der Platz erhielt den Namen, um an Dr. Ernst Blumenberg (geb. 26.Februar 1888 in Einbeck) zu erinnern.
Der jüdischgläubige Arzt Dr. Ernst Blumenberg führte seine Kassen- und Privat- Praxis in der damaligen Adolf-Hitler-Straße 14, der heutigen Hauptstraße. Er praktizierte seit 1920 in Bad Nenndorf. Blumenberg hatte in Göttingen und in Berlin Medizin studiert, in Göttingen hatte er das zahnärztliche (1911) und ärztliche Staatsexamen (Februar 1914) abgelegt. 

Blumenberg meldete sich im August 1914 als Freiwilliger für den Heeresdienst und erhielt das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse, eine Auszeichnung, die dem Träger besondere Tapferkeit bescheinigte. Nach dem Krieg Ende 1918 arbeitete er in einem Lazarett für Kriegsverletzte. 
Seine Praxis in Bad Nenndorf eröffnete er zunächst in der Kramerstraße. Er war bald sowohl als kompetenter Arzt wie als Mensch in breiten Schichten der Bevölkerung anerkannt. Blumenberg war ihr Arzt, der die Kassenpatient:innen genau so gut wie die Privaten behandelte. In der Weltwirtschaftskrise seit 1929, die viele arbeitslos und arm gemacht hatte, führte er ihre Behandlung fort - notfalls ohne Bezahlung. 

Auch nach 1933 hielt ihm ein Großteil seiner Patient:innen die Treue - vor allem jene aus der ländlichen Umgebung und aus der Nenndorfer Arbeiterschaft. Die Nenndorfer Nazis hingegen setzten alles daran, Dr. Blumenbergs Praxis zu ruinieren. Sie fotografierten die Besucher der Praxis vom gegenüber liegenden Hotel Hannover aus, wo sie sich auf die Lauer legten. An die Eingangstür der Praxis klebten sie Plakate mit antisemitischen Parolen, und wenn der Arzt zu seinen Patient:innen fuhr, verfolgten sie ihn, um festzustellen, wer ihn gerufen hatte. Diese Menschen wurden dann angeprangert, ihre Namen in eine Liste geschrieben und im „Stürmer“-Schaukasten ausgehängt. So sollte der Druck erhöht werden, den Arzt zu wechseln. 

Die rassistische Hetze gegen Dr. Blumenberg schuf ein Klima des Hasses und Fanatismus in Bad Nenndorf. In der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 1937 führte es zur Denunziation Dr. Blumenbergs durch den Nachbarn. Der Friseurmeister schwärzte ihn bei der Gestapo, der politischen Polizei des NS-Regimes, als „Rassenschänder“ an. Blumenbergs angebliches Verbrechen war eine Liebesbeziehung mit einer Frau christlichen Glaubens, die im nahegelegenen Stadthagen ansässig war. 

Der Arzt, dessen Praxis zu dieser Zeit noch immer sehr gut besucht war, wurde zunächst im Gerichtsgefängnis in Hannover inhaftiert. Dann verurteilte ihn die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Hannover im Mai 1937 zu zwei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren „Ehrverlust“. Er galt ja nach den Nürnberger Rassegesetzen als so genannter „Volljude“ und seine mitangeklagte Freundin als „arisch“. Die beiden durften nach den Rassegesetzen niemals sexuelle Beziehungen miteinander haben. In seinem Urteil erhöhte das Gericht die Strafe von der einfachen Gefängnisstrafe auf die schwerere Zuchthausstrafe, da der Angeklagte „nicht nur einmal, sondern beharrlich längere Zeit mit der Angeklagten den Geschlechtsverkehr ausgeübt hat.“ 

Die Verurteilung zog weitere Schritte nach sich: Das Regierungspräsidium in Hannover nahm die Bestallung Dr. Blumenbergs als Arzt im Februar 1938 zurück, die Universität Göttingen aberkannte im folgenden August seinen Doktortitel. Der erste Schritt zur Entziehung seiner Promotion zum Dr. med. geschah, für die breitere Öffentlichkeit unsichtbar, durch die Nazifizierung der Promotionsordnung der Universität Göttingen im Jahre 1933. Erst dadurch konnte die Verurteilung Dr. Blumenbergs zum Anlass für die Titelentziehung werden. 

Als „Ernst Israel Blumenberg“ im Februar 1939 aus dem Zuchthaus Hameln entlassen wurde, stand sein Name auf der Meldeliste der Gestapo. Es gelang ihm, noch vor dem Überfall auf Polen und dem Beginn des 2.Weltkrieges (1. September 1939) nach Shanghai zu entkommen – dem einzigen Asylort, der einem deutschen mittellosen Flüchtling zu diesem Zeitpunkt noch offenstand. Er lebte in Shanghai neun Jahre lang als staatenloser Geflüchteter, erneut Verfolgter und Ghettoisierter unter japanischer Verwaltung. Währenddessen wurden seine Schwester Johanna und sein Bruder Selmar 1943 in Konzentrationslagern im „Deutschen Reich“ ermordet. 1948 emigrierte Dr. Blumenberg von Shanghai in die USA. Die Anerkennung seines Doktortitels blieb ihm dort jedoch versagt. 

Nach einem erneuten Medizinstudium arbeitete er fast 20 Jahre erfolgreich an verschiedenen amerikanischen Krankenhäusern. 1952 veröffentlichte er eine Sammlung älterer und neuer Gedichte. 1953 heiratete er Margarete Prager, die er auf der Flucht kennengelernt hatte. Eine starke Beziehung verband ihn zeitlebens mit der deutschen Kultur. 

Dr. Ernst Blumenberg kehrte 1967 im Alter von 79 Jahren mit seiner ebenfalls aus Deutschland stammenden Frau noch einmal für einige Stunden in den Kurort Bad Nenndorf zurück. Er hatte die Reise mit Gefühlen der Freude und Furcht angetreten. Seine Tochter schreibt: „Mein Vater hat Deutschland geliebt, und es war die größte Enttäuschung seines Lebens, dass er seine Praxis dort nicht weiterführen konnte. Dass er Deutschland für immer verlassen mußte, hat er nie überwunden.“ 

Dr. Blumenberg starb am 27. August 1973 nach einem Herzinfarkt im Alter von 85 Jahren in Salisbury / North Carolina (USA). In den fünf Jahren von 1933 bis 1937 endet die über 150jährige Geschichte der Juden in Bad Nenndorf. In diesen fünf Jahren hat jeder Mensch im Ort, der es wissen wollte, auch wissen können, was mit seinen Nachbarn geschah. In diesen Jahren wurde - da war Bad Nenndorf ein Ort unter vielen - mit der Entrechtung, der privaten und öffentlichen Diffamierung, der Isolierung und der Vertreibung der jüdischgläubigen Bevölkerungsminderheit der Massenmord in den Todeslagern vorbereitet.


Ruf aus dem Ghetto

In meinem Blute klagt ein altes Lied
von meiner Mutter her,
das schimmert aus den Tränen meiner Augen,
meine Schultern tragen schwer.

Der Urväter tausendjährige Qual
hat meine Seele entwaffnet,
auf meiner Stirne brennt das Mal
der Gezeichneten.

Meine Worte haben den bittren Hauch der Armen,
müde bin ich von all den gewanderten Wegen,
und immer noch betet mein Herz
um Sonne, um Segen.


Warum dringst Du nicht zu mir?
Wie Sterne kreisen wir weltenfern umeinander,
senden uns kaum einen wärmenden Strahl
und verlöschen.
- Dr. Ernst Blumenberg: Gedichte (Veröffentlicht 1952)

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